NWZ vom 16.04.07

 

VERNISSAGE / Ausstellung in der Galerie Kränzl

 

Experimente mit der Wahrnehmung

 

Sprachzeichen - Raumzeichen" heißt eine Ausstellung, die am Wochenende in der Göppinger Galerie Kränzl eröffnet wurde. Sie zeigt Arbeiten von Danuta Karsten aus Recklinghausen und Dirk Hupe aus Essen - Experimente der Wahrnehmung von Schrift und Raum.

 

HANS STEINHERR

 

Der Buchstabe wird zum grafischen Element. Der Baustein eines Wortes, der Inhalt einer Information von Dirk Hupe zum visuellen Kunstobjekt verändert. Vergrößert auf transparenten, roten Folien wird der Buchstabe zur figurativen Hülle und blendenden Lichtquelle. Fast körperlich schon - nicht nur mental - erlaubt der 1960 in Essen geborene Hupe dem Betrachter seiner Schrift-Art, Buchstabe um Buchstabe zu durchdringen, sich hinter und durch die Hülle des Wortes zu denken. „Leerzeichen", nennt sie Hupe, losgelöst von Logik und der Bedeutung von Buchstabe und Sprache. Dirk Hupe experimentiert buchstäblich mit seiner Kunst, stellt sie und die Auseinandersetzung mit ihr wie Forschungsergebnisse zur Diskussion und Ansicht in den Raum.

 

Die 1963 bei Danzig geborene Danuta Karsten, studierte Bildhauerin und Uecker-Schülerin, setzt ergänzend und zugleich im Kontrast zu Hupe mit ihrer Arbeit Zeichen, die den Raum im Raum verändern und ihn zu einem ästhetischen Erlebnis werden lassen. Der Weg dorthin verläuft verschlungen wie in einem Labyrinth. Acht von der Decke herabhängende Folien verhindern einen raschen Zugang zur Ausstellung. Die Folien gleichen sich. Danuta Karsten hat sie mit Lackstift gezeichnet. Mit Linien, die im rechten Winkel abknicken, sich dabei immer weiter öffnen, vergrößern und das innere, eben erst gezogene Rechteck ständig und wiederholt umrahmen. Wie eine rechtwinkelige Spirale. Räume mit zentrischem Mittelpunkt sind entstanden.

 

Der Besucher freilich kann nicht anders als sie im Slalom zu umgehen. Irgendwann durch Buchstaben und linierte Räume hindurch, erreicht man den Raum der tanzenden Hieroglyphen. 324 im Schnitt etwa fünf Zentimeter große weiße Zeichen hängen von der Decke; bis zur Augenhöhe der Künstlerin 1,72 Meter über dem Boden, im Quadrat, in einer Ebene und in gleichmäßigen Abständen zueinander. Der Raum und die Objekte in makellosem Weiß drängen den Besucher an den Rand und die Zeichen in die Mitte. Danuta Karsten hat in mühevoller Arbeit Triebe von Weinreben lackiert und an Nylonfäden aufgehängt. Es genügt ein leichter Windstoß und der Raum und seine Zeichen fangen an zu schweben.