Südkurier: 05.05.2007

 

Ausziehen, um das Fürchten zu verlernen

Jürgen Marose und Sonja Scherer in der Galerie Kränzl

 

Brigitte Elsner-Heller

 

„He-Ho". Ein ungewöhnlicher Titel für ein Kunstwerk. In Mischtechnik auf Papier hat die Mannheimer Künstlerin Sonja Scherer ihre beiden gleich lautenden Arbeiten (He-Ho l und 2) angelegt, die als „Wasserzeichen" gelten sollen, sich demnach auf etwas wie eingeprägte Herkunfts- oder Eigentumsrechte beziehen sollten. Inspiriert wurde Sonja Scherer zu diesen Objekten durch chinesische Wasserträger, die sich gegenseitig mit dem Ruf „He-ho" antreiben oder aufmuntern. Bei ihr hängen nun zwei fächerartig aufgefaltete Papierbahnen an einer Eisenstange nach unten. Klare Ästhetik und die trotz Farbauftrag und materialverdichtender Faltung immer noch vorhandene Fragilität verbindet sich mit der Erinnerung an die Lasten, um die es ursprünglich einmal gegangen ist - die schmale, elegante Eisenstange bleibt Joch.

Sonja Scherer als Künstlerin mit sozialkritischen Ansätzen bezeichnen zu wollen, geht jedoch an der Sache vorbei, wenn man die aktuelle Ausstellung in der Galerie Kränzl in Horn (Höri) als Ausgangspunkt nimmt. Denn in der Summe erscheinen ihre Arbeiten ausgesprochen ruhig und ausgewogen. Ihre rhythmischen Kompositionen, die stets gegenstandslos bleiben und mit zeichenhaft gesetzter Farbe spielen, er-innern zum Teil an die unentzifferbare Sprache von Cy Twombly. Wobei Sonja Scherer die Impulsivität eines Twombly im Laufe einiger Reisen nach Asien durch fernöstliche Meditation ersetzt haben mag.

Ruhig geht es auch bei dem Essener Künstler Jürgen Marose zu, der seit Jahren mit der Galerie verbunden ist. Standen bei einer vergangenen Gruppenausstellung in denselben Räumen auf der Höri noch Figuren im Zentrum, die mit der Weite des Meeres in Verbindung gebracht wurden, so sind die Menschen, die Jürgen Marose diesmal der Unendlichkeit ausgesetzt hat, in der Regel nicht ausschließlich auf sich gestellt, sondern in Begleitung. Immer noch wirken die Lebensbedingungen brüchig, die Marose mit lasierenden wasserlöslichen Farbaufträgen auf ölhaltigem Asphaltlack entwirft. Immer noch fehlt ein frisches Himmelsblau, das Luft zum Atmen schafft, fehlen Konturen, an denen man sich in der weiten Landschaft auf Dauer orientieren könnte. Dennoch vermitteln auch Maroses aktuelle Bilder mehr Ruhe als diejenigen, die den Mann einsam mit dem Schiff auf die Weltmeere gegen die Stürme schicken. Sind es diese geglätteten Wogen, die glauben machen, es handle sich dieses Mal eher auch um Frauen? Oder bedienen dann die eigenen Assoziationen nur Klischees?

„Wohin er - der Mensch - kommt und wohin der geht bleibt unbestimmt, wie auch das Geschlecht oder das Alter der Personen", hält ein Text der Galerie deutlich neutraler fest. Einprägsam ist ausgerechnet ein „aus dem Rahmen fallendes" Bild, in dem Marose sich aus der Vogelperspektive einer dichten Stadtlandschaft nähert, in dem jede menschliche Figur in den Labyrinthen verschwunden ist. Ein Zukunftsbild oder eines, das einen inneren Zustand so gut abbildet wie die unendlichen Landschaften? Die vage Balance ist irritierend: Marose lässt seine Menschen nicht abstürzen, er entlässt sie einfach. In eine Freiheit, die nicht ausschließlich Ängste schüren muss.