NWZ vom 5.5.2004

 

AUSSTELLUNG / Martin Pfeifle und SEB Koberstädt in der Göppinger Galerie Kränzl

 

Junge Bildhauer als Raumgestalter

 

Erst vor Ort bestimmen die Künstler die Materialien für ihre Räume füllenden Installationen

 

Vom Stein zum Kunststoff. Zeitgenössische Bildhauerkunst bedient sich neuer Ma-terialien, nimmt Kontakt zu Bereichen der Architektur auf. Die Göppinger Galerie Kränzl gibt zwei jungen Bildhauern den Raum für eine ungewöhnliche Ausstellung.

 

HANS STEINHERR

 

GÖPPINGEN • Erst vor Ort bestimmen die beiden Bildhauer das Material, das sie für ihre Arbeit verwenden wollen. In der Galerie Kränzl sind das Holz, Papier und Styropor. Der Raum bestimmt die Form und die Dimension ihrer Installation. Auch sie geschieht vor Ort. Martin Pfeifle (Jahrgang 1975) und SEB Koberstädt (Jahrgang 1977) haben an der Kunstakademie Düsseldorf Bildhauerei studiert. Bildhauerei heute lotet die Funktionen der Architektur aus. Der moderne Bildhauer wird zum experimentellen Raumgestalter. Nur der Raum setzt seiner gestaltenden Fantasie eine Grenze.

Betritt man die Galerie Kränzl in der Göppinger Davidstraße, versperrt zunächst ein breiter, einladender und aus rohen Brettern gezimmerter Tisch mit Sitzbänken den raschen Zugang zu den übrigen Räumen. Unter einer niedrig eingezogenen Zwischendecke aus Styroporelementen hindurch und über die Rampe aus einer von der Sitzbank zum Boden verlaufenden Holzplatte hinweg kommt man weiter. Steigt über das Kunst-Werk und verneigt sich davor. Eine Treppe führt ins Hochparterre. Im ersten der beiden Räume dort bilden Regalbretter aus dem Baumarkt - auf etwa fünf Zentimeter dicken Styropor-Auflagen zu einem originellen Parkett verlegt - neue An- und Einsichten. Licht und Glas im Wechselspiel aus Erleuchtung und Erscheinung. Eine Stellage aus Dachlatten bildet das Gerüst für die Kombinationen mehrerer Neon-Leuchtstoffröhren und begleitet vom Flur in den Raum hinein. An der rechten Wand ein Flächenmuster aus schwarzer, matter Farbe und glänzenden Glasplatten. Die haben die beiden Raumkünstler im Keller der Galeristin gefunden. Ihr Vater hatte sie als Platten für Teewagen verarbeitet.

Im Nebenraum eine hölzerne Sprossenwand, die vor dem Fenster angebracht wie Lamellen einer Jalousie wirkt und als Foto- und Regalwand zugleich dient. Im letzten Raum der Galerie steht vor einer pinkfarbenen Wand eine alte Sitzcouch. An der Wand sind Bilder von Künstler aufgehängt, denen die Galerie im Laufe der vergangenen Jahre bereits eigene Ausstellungen gewidmet hat.

Erstaunlich mutig ist die Ausstellung, welche die Bezeichnung „Real Trucks drive over everything" trägt (Echte Laster fahren über alles hinweg). Mutig schon deshalb, weil sie nicht käuflich ist und nur durch ihr Spiel mit Formen und Materialien auf den Besucher anregend wirkt. Was von der Arbeit zurückbleiben wird, sind pop-farbene T-Shirts mit dem aufgedruckten Titel der Ausstellung. Sie - und nur sie - können

gekauft werden. Kunst und die von ihr ausgehende Inspiration bleiben unbezahlbar.

 

© Galerie Kraenzl