Südwestpresse/NWZ vom 4.7.2003

 

AUSSTELLUNG / Die Galerie Kränzl präsentiert in Göppingen vier Künstler

W e i ß   i s t   e i n e   F a r b e   u n d   m e h r

Sensible Auseinandersetzungen in Malerei, Collage und Zeichnung

 

Mischt man rotes, blaues und grünes Licht, so erhält man weißes. Die Galerie Kränzl in Göppingen zeigt die Arbeiten von vier verschiedenen Künstlern, die sich mit der Farbe weiß beschäftigen. In der Malerei, in Collagen und Zeichnungen und in Plastiken.

HANS STEINHERR

GÖPPINGEN • Weiß bedeutet Unschuld, symbolisiert Neutralität. Erst wenn weißes Papier bedruckt zu Büchern oder bemalt zu Bildern wird, bezieht „weiß" Stellung Auf dieser Basis präsentiert die Galerie Kränzl in Göppingen vier verschiedene Künstler. „White and more" heißt die Ausstellung, die sich mit der Farbe weiß auseinandersetzt. Vielfältig, sensibel und philosophisch nuanciert. Weiß ist mehr als nur eine Farbe.

Dirk Hupe ist Philosoph und Germanist. Für sein Kunstschaffen stand am Anfang auch das Wort. Hupe gestaltet Worte als Fragmente, aufgelöst auf weißem Papier als Bildträger. Für Hupe stehen Wort und Bild als kommunikatives Stilmittel. „So entstand die Idee, Wort und Bild in einer Installation zu integrieren", erklärt Hupe. Diesen Gedanken hat Hupe konzeptionell weiter verfolgt. Hoch auf einem Fenstersims der Galerie, in weißem Leinen verpackt und versiegelt, Bucher. Hupe macht die Offerte, tiefer zu blicken. Konserviertes Wissen ist vorhanden, doch bleibt es verborgen und unlesbar.

Christa Matusch aus Essen arbeitet mit weißem Papier als Medium. Kreiert Collagen aus selbst geschöpftem Papier. Matusch kombiniert die Ursprünglichkeit und Individualität dieses Papiers mit Papierfragmenten zerschnittener Reisepässe, textilen Fasern oder den Teilen gedruckter Texte, die Juristen benutzt haben. Auch bei Matusch hat das Wort primäre Bedeutung. Bei Hupe ist es der Inhalt, bei Matusch die gestalterische, grafische Form. Sensibles Empfinden bringt sie in Collagen mit aufgeklebtem Zigarettenpapier detailliert zum Ausdruck.

 John Gerard ist Amerikaner. In den 80er Jahren hat er die so genannte Paper Art in Deutschland mit bekannt gemacht. Papier - Kunst. Papier nicht nur als Trägermaterial eines Bildes, sondern beides. Trägermaterial und Bild. Papier als Hülle und Inhalt zugleich. Bei Kränzl ist eine gefaltete und auf die Kanten gestellte Arbeit zu sehen Ein weißer Paravent aus selbstgefertigtem Papier, der Einblick und Durchblick gleichzeitig zulässt.

Die Vierte im Bunde ist Andrea Kraft. Die Künstlerin gestaltet menschliche Körper in archaischen Formen. Vor dem Sündenfall war die   Unschuld. Unbeflecktheit in weiß. Weiß ist das Rohmaterial Zellulose, aus dem sie ihre Plastiken formt. Embryonale Körper sind noch mit der Nabelschnur ihrer (Ge-bär)Mutter verbunden. Haben die Unschuld noch nicht verloren. Die Unschuld bleibt weiß.

 

© Galerie Kraenzl